Als der Hütteningenieur Julius Buch im Frühjahr 1873 die „Völklinger Eisenhütte“ gründete, konnte er nicht ahnen, dass er damit den Grundstein für mehr als 100 Jahre Eisen- und Stahlerzeugung an der Saar legen würde. 2023 sind es genau 150 Jahre seit der Gründung der Völklinger Hütte.
„Wir feiern das Jubiläum „150 Jahre Völklinger Hütte“ im vollen Bewusstsein der eminenten Ambivalenz unseres einstigen Eisenwerks. Mit zahlreichen Innovationen und wirtschaftlichen Entwicklungsschüben ebenso wie mit Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Umweltverschmutzung hat die Hütte unser menschengemachtes Zeitalter, das Anthropozän, im Guten wie im Schlechten exemplarisch geprägt“, so Generaldirektor Dr. Ralf Beil.
Der offizielle Festakt zu 150 JAHRE VÖLKLINGER HÜTTE findet am 12. Mai 2023 statt, dem Tag der Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung der Hütte. Begonnen hat das Jubiläumsprogramm jedoch bereits im Dezember 2022: mit der Großausstellung JULIAN ROSEFELDT. WHEN WE ARE GONE. In einer neuen raumgreifenden Filminstallation thematisiert der Berliner Gegenwartskünstler mit dem Kapitalismus die treibende Kraft der Industrialisierung und stellt darin die Frage, warum die Gesetze der Wirtschaft und des Geldes bis heute alternativlos zu sein scheinen.
Um die bildstarke Film-Oper EUPHORIA, die im Weltkulturerbe Völklinger Hütte ihre institutionelle Europapremiere hat, ereignet sich bis zum 3. September 2023 die bisher größte Werkschau des Künstlers in Deutschland. Julian Rosefeldt ist international für seine visuell opulenten und virtuos choreografierten Multi-Screen-Installationen bekannt. Die Schau präsentiert sieben seiner Arbeiten aus den letzten zwanzig Jahren – darunter ebenfalls als Europapremiere die Installation PENUMBRA – an eigens ausgewählten Orten in und unter der mehr als 6.000 Quadratmeter großen Gebläsehalle mit ihren gigantischen Maschinen und Schwungrädern. In der Wechselwirkung von Kunst und Industriekultur wird ein eindrucksvolles Panorama des menschengemachten Zeitalters erfahrbar – jenes Zeitalters, das das Hüttenwerk erst entstehen hat lassen.
Im Jubiläumsjahr 2023 wird auch das neue Eingangsgebäude des Weltkulturerbes im historischen WASSERHOCHBEHÄLTER eingeweiht. Wahrlich ein Grund zu feiern: Denn hier entsteht nicht nur ein repräsentativer und zeitgemäßer Eingangsbereich mit Kasse, Shop und Café, es werden mit dem Pumpenhaus und den Obergeschossen des Wasserhochbehälters auch weitere Räume der Industriegeschichte für unsere Besucher:innen erschlossen. In der zweiten Etage des Wasserhochbehälters eröffnet die Ausstellung BEWEGUNG MACHT GESCHICHTE neue Perspektiven auf die Rohstoff-, Menschen- und Produktströme, die die Geschichte der Völklinger Hütte erst möglich gemacht haben.
„Wir haben nun die einmalige Gelegenheit, die historischen Bewegungen von Menschen und Material rund um das Eisenwerk multimedial zu bündeln und die europäischen wie globalen Vernetzungen der Hütte sichtbar und erlebbar zu machen“, erläutert Generaldirektor Ralf Beil.
Neben dem Wasserhochbehälter und dem Pumpenhaus werden auch die Trockengasreinigung II – eine veritable Industriekathedrale – und der ebenso bedeutsame Hochofenleitstand bis zum Sommer final für die Besucher:innen erschlossen. Zudem entstehen neue Wege über den Sinterrundkühler, durch die Hängewagenwerkstatt und auf der Kokerei. In der Hängewagenwerkstatt realisiert das Weltkulturerbe eine künstlerische Rauminstallation des Schweizers Künstlers RÉMY MARKOWITSCH, die unter dem Titel WE All [EXCEPT THE OTHERS] Schlüsselthemen aus der Geschichte der Völklinger Hütte aufgreift.
In Zusammenarbeit mit dem Saarländischen Staatstheater plant die Völklinger Hütte für September 2023 das In-situ-Programm 1200° – MUSIK THEATER KUNST.
Hier ist neben einem 360°-Klangereignis für die Arena der Hochofengruppe vor allem HEINER GOEBBELS Performance-Installation an der Kohlenstampfmaschine im Paradies als Höhepunkt zu nennen – eine eigens für den Ort geschaffene Neukomposition aus Sound, Licht, Text und Stimmen in historischer Industriekultur.
Den eindrucksvollen Schlusspunkt des Jubiläumsjahres setzt ab dem 15. Oktober 2023 DER DEUTSCHE FILM, eine Ausstellung des Weltkulturerbes Völklinger Hütte und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin. Die Schau in der Gebläse- und Verdichterhalle der Völklinger Hütte gibt erstmals einen umfassenden Überblick zum deutschen Film von 1895 bis heute und lässt die Besucher:innen mit Filmen auf Großleinwänden und Monitoren sowie Exponaten wie Originalmanuskripten, Kameras und Kostümen in ein einzigartiges Film-Universum eintauchen. Zugleich spiegeln sich in der hochkarätigen Ausstellung Kulturgeschichte, Zeitgeschichte und die Geschichte Deutschlands sowie der Völklinger Hütte vor, nach, in und zwischen den Kriegen des 20. Jahrhunderts.
„Unser Jubiläumsprogramm soll begeistern, faszinieren, provozieren und grundlegende Fragen zu uns, unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stellen – aus der besonderen Kraft des Ortes heraus“, so Ralf Beil.
Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte ist das einzige vollständig erhaltene Eisenwerk aus der Blütezeit der Industrialisierung und zugleich das erste Denkmal dieser Epoche, das in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen wurde. Heute bildet die Völklinger Hütte mit ihren zahlreichen Hallen, Freiflächen und dem fesselnden Gewirr der Rohrsysteme einen einzigartigen Schauplatz internationaler Ausstellungen, Festivals und Konzerte.
Zur Kultur gesellt sich die Natur: Das Paradies, hervorgegangen aus der einstigen „Hölle“ der Kokerei, fasziniert durch die Rückeroberung des Geländes durch vielfältige Flora und Fauna.
„Kurz gesagt: Fünf Themen-Säulen tragen programmatisch die nachhaltige Entwicklung des Weltkulturerbes Völklinger Hütte und alle Aktivitäten dieses auratischen Möglichkeitsraumes: INDUSTRIE KULTUR GESCHICHTE KUNST und NATUR.“ So definiert Ralf Beil das heutige Spektrum des einstigen Eisenwerks – weit über das Jubiläumsjahr 2023 hinaus.
Weitere Informationen: www.voelklinger-huette.org