In den letzten Jahren hat das Weltkulturerbe Völklinger Hütte den Forschungsstand zu den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern der Völklinger Hütte erweitert und präsentiert. Der französische Weltkünstler Christian Boltanski realisiert einen Erinnerungsort im Weltkulturerbe Völklinger Hütte für die Menschen, die in der Völklinger Hütte Zwangsarbeit verrichten mussten. Ein emotionales Kunstwerk, das die Erinnerung an diese Menschen wachhält und erlebbar werden lässt. Auch der Gedanke an die tägliche Arbeit der Hüttenarbeiter hat Christian Boltanski inspiriert. Diesen Menschen und ihren Emotionen hat er eine große temporäre Installation gewidmet.

„Mit der Installation „Die Zwangsarbeiter – Erinnerungsort in der Völklinger Hütte“ erschließen wir die Erinnerung an das Thema Zwangsarbeit vollständig neu. Christian Boltanskis Arbeit führt in die dunkelste Zeit der Völklinger Hütte und der Industriekultur. Den Menschen, die in zwei Weltkriegen in der Völklinger Hütte Zwangsarbeit verrichten mussten, hat Christian Boltanski einen Ort der Erinnerung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte geschaffen. Dieser Ort der Erinnerung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte ist sehr emotional und aufrührend. Die Installation von Christian Boltanski geht im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut. Christian Boltanski ist der beste Künstler, den wir uns für diesen Erinnerungsort wünschen konnten. Wir sind überglücklich, dass wir ihn für diese Arbeit gewinnen konnten. Der Erinnerungsort für die Zwangsarbeit in der Völklinger Hütte ist mit der Dokumentation der Forschungsergebnisse verbunden. Die Beschäftigung mit dem Thema Zwangsarbeit wird auch weiterhin im Vordergrund unseres Handelns stehen“, sagt Meinrad Maria Grewenig, Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte.

In Zusammenarbeit mit Historikern wie Dr. Inge Plettenberg hat das Weltkulturerbe Völklinger Hütte die Forschung zum Thema Zwangsarbeit in der Völklinger Hütte intensiviert und die Ergebnisse im Weltkulturerbe Völklinger Hütte präsentiert. Berührend und sehr emotional eröffnet die große Installation von Christian Boltanski in der Sinteranlage der Völklinger Hütte einen neuen Zugang zum Thema Zwangsarbeit. Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte bildet die Installation einen Erinnerungsort, der die Erinnerung an die Menschen wachhält, die in der Völklinger Hütte Zwangsarbeit verrichten mussten.

12.393 Männer, Frauen und Kinder aus 20 Ländern waren während des Zweiten Weltkrieges als Zwangsarbeiter in der Völklinger Hütte registriert. 261 von ihnen verloren ihr Leben, darunter 60 Kinder und Kleinkinder. Die Menschen stehen mitten in den eng gestellten Wänden des Archivs der Erinnerungen, das aus unzähligen aufeinander gestapelten Archivkästen besteht. Die Archivkästen tragen Nummern, schwarze Hosen und Jacken formieren sich zu einem Kleiderberg. Die geflüsterten Namen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die aus allen Ecken der Installation erklingen, lösen einen Schauer aus. Schlagartig versetzt die Installation von Christian Boltanski in eine andere Welt.
In der Arbeit von Christian Boltanski verbinden sich die Industriekultur der Völklinger Hütte, die rostigen Archivkästen und die Kleidungsstücke zu einer großen, begehbaren Raum-Installation von 3,30 Meter Breite, 6 Meter Höhe und 18 Meter Länge. Zwischen den Archivkästen führt ein enger nur von einigen Glühbirnen spärlich beleuchteter Gang zu der Installation der Kleidungsstücke.
Der Eindruck eines gigantischen Archivs stellt sich ein, die abgelegten schwarzen Kleidungsstücke suggerieren die Abwesenheit von Menschen, die einmal vor Ort gewesen sein könnten. Die gesprochenen Namen benennen konkrete Schicksale.
Der Erinnerungsort für die Zwangsarbeiter der Völklinger Hütte ist mit der Dokumentation der Forschungsarbeit verbunden. Über ein Fenster in der Decke ist der Erinnerungsort auch mit dem UNESCO-BesucherZentrum verbunden. Im Rahmen der Forschungsarbeit und auf Anstoß von Christian Boltanski hat das Weltkulturerbe Völklinger Hütte die Statistik der „Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke“ aus dem Archiv der Saarstahl AG erfasst und erstmals die Daten aller bekannten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter vorgelegt. Die Präsentation dieser Forschungsarbeit zum Thema Zwangsarbeit in Verbindung mit einem großen Erinnerungsraum ist im Bereich der Industriekultur einzigartig.
Die Liste aller Namen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die erreichbar waren, finden sich als kostenloser Download unter www.voelklinger-huette.org. Zusätzlich erscheint das 530 Seiten starke Buch von Inge Plettenberg zur Zwangsarbeit in der Völklinger Hütte. Die Installation, die Liste der Zwangsarbeiter und die Forschungsergebnisse stehen in einem engen Zusammenhang.

Temporäre Installation „Erinnerungen | Souvenirs | Memories“
Auch der Gedanke an die tägliche Arbeit der Hüttenarbeiter hat Christian Boltanski inspiriert. Diesen Menschen und ihren Emotionen widmet er eine große temporäre Installation. 91 Spinde aus allen Betriebsteilen der Völklinger Hütte gruppiert Christian Boltanski magisch beleuchtet zu einer neuen großen Installation in der 800 Quadratmeter großen Erzhalle. Gesprochene Erinnerungen an die Arbeit in der Völklinger Hütte von ehemaligen Hüttenarbeitern dringen aus den Spinden. Diese Spinde sind Kristallisationspunkte der Arbeit, innen privat und außen Teil der Völklinger Hütte, vermitteln sie auf höchst eindrucksvolle Art eine besondere Form der Erinnerung und Wertschätzung der Arbeit. Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte, wo mit großem Aufwand die Hochofengruppe, die Sinteranlage und die Maschinen der Völklinger Hütte vor dem Verfall gerettet wurden, verweisen die Arbeitsspinde auf die Menschen, die hier gearbeitet haben. Auf ihre Erinnerungen und Emotionen, die in den Arbeitsspinden gespeichert sind.
Für die Installation von Christian Boltanski wurden 91 historische Arbeitsspinde aus allen Betriebsteilen der Völklinger Hütte in die Erzhalle gebracht. Der Spind war der Ort, wo man sich vom Privatmann in den Hüttenarbeiter verwandelte. Wo man seine privaten Dinge ablegte und die Arbeitskleidung anzog. Kaum ein Gegenstand in der Völklinger Hütte verkörpert so sehr die Emotionen und die Erinnerungen der Hüttenarbeiter. Aus den Spinden sind Erinnerungen ehemaliger Hüttenarbeiter zu hören, die speziell für die Installation von Christian Boltanski aufgenommen wurden. Sie erzählen, was es hieß, auf der Völklinger Hütte zu arbeiten.
Christian Boltanski hat die Spinde zu einem konzentrierten Ensemble inszeniert, in dem die Spinde so gruppiert sind, dass sie in einem dialogischen Miteinander erscheinen. Durch diese künstlerische Veränderung der bekannten Arbeiterspinde entsteht eine neue Erfahrungsdimension. Die Installation ist eine Hommage an alle Hüttenarbeiter, die einzelnen Spinde sind bewusst aus der Funktion des ehemaligen Arbeitsablaufs herausgelöst. Die Installation „Erinnerungen | Souvenirs | Memories“ ist bis zum 31. August 2019 in der Erzhalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte zu sehen.

Christian Boltanski ist einer der international renommiertesten Künstler. Seine Werke wurden dreimal auf der documenta in Kassel gezeigt. 2011 wurde der gesamte französische Pavillon der 54. Internationalen Kunstbiennale von Venedig mit einer Rauminstallation von Christian Boltanski gestaltet. Christian Boltanskis Arbeiten sind in den wichtigsten Kunstsammlungen der Welt – wie dem Museum of Modern Art in New York, der Tate in London oder dem Centre Georges Pompidou in Paris – zu sehen.

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